Kletterpflanzen – wenn man den Nachbarn nicht mehr sehen will

An einem kühlen Septembertag war Yannick damit beschäftigt, laut schimpfend den Efeu, der seit vielen Jahren vor sich hin wucherte, aus dem Zaun zu entfernen, der direkt an das Grundstück seines Freundes Lennard angrenzte. Durch die Schimpferei aufmerksam geworden, kam Lennard in den Garten, vorsorglich zwei Flaschen Bier in der Hand, und erkundigte sich nach dem Wohlbefinden seines Freundes. Der haderte derweil mit der Kletterpflanze und wurschtelte so vor sich hin.

Kletterpflanzen im Zaum halten

„Was treibst Du denn da“, fragte Lennard amüsiert, nachdem er eine Zeit lang seinen Freund beobachtet hatte. „Ach hör mir auf. Ich wollte mal eben schnell den Efeu entfernen. Damit bin ich nun schon seit einer halben Stunde beschäftigt.“ „Ja, Efeu sind widerspenstig.“ „Da sagst Du was! Silke wollte hier neue schnellwachsende Kletterpflanzen haben, also muss das alte erst Mal weg.“ Natürlich waren Silke und auch Yannick klar, dass Efeu ebenfalls zu den schnellwachsenden Kletterpflanzen gehört, aber der Efeu, der sich hier schon seit über zehn Jahren befand, war nicht mehr schön anzuschauen. „Yannick“, sagte Silke daher heute Morgen, „ich möchte gerne Blauregen anstelle des Efeus haben. Kannst Du den Efeu bitte entfernen?“

Yannick konnte, wenngleich er keine Lust dazu hatte. Auch musste er feststellen, dass der Efeu nicht nur oberirdisch verdammt schwer zu entfernen war, sondern auch unter der Erde mittlerweile solch dicke Wurzeln gebildet hatte, dass er da mit der kleinen Schaufel nicht beikam. Und dann kam noch der schlaue Kommentar von Lennard, den er jetzt gerade so gar nicht brauchen konnte: „Kletterpflanzen musst Du immer im Zaum halten!“ Der Blick von Yannick sprach Bände.

Die passende Kletterpflanze finden

Kletterpflanzen als Sichtschutz – das ist wohl der häufigste Grund, warum diese Blumen in unseren Gärten anzutreffen sind. Selbst wenn man so ein freundschaftliches Verhältnis wie Lennard und Yannick hat, es gibt gewisse Bereiche, die möchte man nur geschützt genießen. Es muss ja nicht jeder alles sehen.

„Und was willst Du jetzt anstatt des Efeus dahin pflanzen?“ Lennard amüsierte sich noch immer über seinen Freund, der nun endlich die Schaufel beiseitelegte, an den Zaun kam und ihm die zweite Bierflasche aus der Hand nahm. Gemeinsam nahmen sie einen tiefen Schluck, ehe Yannick seine Pläne offenlegte: „Blauregen soll es sein, hat mir Silke gesagt. Der wächst schnell und gehört zu den mehrjährigen Kletterpflanzen. Der soll dann mal über unsere Terrasse wachsen.“ „Eine schöne Idee“, pflichtete Lennard Yannick bei, „allerdings macht Blauregen viel Dreck. Gerade die Blüten sind nicht zu unterschätzen. Und er wächst fast noch schneller als Efeu. Das solltest Du wissen.“ „Was gäbe es denn sonst noch für Möglichkeiten“, wollte Yannick wissen.

Wilden Wein finde ich zum Beispiel sehr schön, oder auch Hopfen. Der Wein färbt sich im Herbst toll rot, der Hopfen verholzt nicht und treibt im nächsten Jahr neu aus. Ganz besonders aber hat es mir der Baumwürger angetan. Den werde ich mir auch mal holen. Der färbt die Blätter im Herbst herrlich gelb und trägt im Winter Beeren. Und was glaubst Du, was das für ein Hallo ist, wenn die Vögel sich darüber hermachen?“ „Das kann ich mir vorstellen. Na da werde ich nochmal mit Silke reden, vielleicht lässt sie sich umstimmen.“

Jedes Jahr etwas Neues

„Du, vielleicht kannst Du mir da auch noch helfen, Lennard. Ich möchte an unserem Rankgitter, das dort an der Terrasse zum Garten hin steht, gerne eine Kletterpflanze haben, aber nicht immer dieselbe. Kannst Du da was empfehlen?“ „Nun, da wären einjährige Kletterpflanzen wohl das Beste. Zum Beispiel die Schwarzäugige Susanne mit ihren gelben und orangenen Blüten. Oder die Prunkwinde mit rosa Blüten. Auch Kapuzinerkresse, Wicken und Glockenreben. Und wenn Du im Herbst noch etwas davon haben möchtest, empfehle ich Dir die Feuerbohne oder den Kürbis.“

„Da gibt es aber wirklich eine große Auswahl. Und da kann ich dann jedes Jahr eine andere Pflanze aussäen?“ „Ja, natürlich. Die Zeitpunkte der Aussaat sind zwar verschieden, aber wenn Du Dich daran hältst, dann klappt das. Ab Ende Februar kannst Du die Glockenrebe und die Schönranke säen. Ab März sind die Schwarzäugige Susanne, die Duftwicke und die Prunkwinde dran. Ab Mai mit Vorkultur im Haus, die Feuerbohne und die Kapuzinerkresse. Alle Kletterpflanzen beginnen im Juli zu blühen und tun dies bis in den Oktober hinein.“

„Perfekt, da werde ich mir gleich mal mit Silke etwas für nächstes Jahr aussuchen. Und den Blauregen als Sichtschutz zu Dir, den setz ich dann im Frühjahr. Ich hoffe, dass ich bis dahin den Efeu komplett entfernen konnte.“ Während Yannick einen tiefen Schluck aus der Flasche nahm, grinste Lennard nur mitleidig und war froh, dass er das Efeuproblem nicht hatte.

Text: Holger Schossig